Katzenjammer in der F.A.Z.
Über den Auftritt unserer Lieblings-Live-and Katzenjammer am 29.07. im Colos-Saal in Aschaffenburg schreibt die F.A.Z. (Autor Wolfgang Sandner) in ihrere Regionalausgabe vom 03.08.2010 auf Seite 37:
Endgültig raus aus der Küche
Das ist keine Band, das ist eine personifizierte Kriegserklärung. Und der Name stimmt auch nicht. Katzenjammer hat keinen Kater und braucht auch keinen. Die vier Norwegerinnen unter dem irreführenden deutschen Bandnamen kommen auf ihren Postern wie Piraten in einem wackligen Kahn bei Nacht und Nebel an irgendeiner Küste an, und man kann sicher sein: Wer auch immer sich ihnen in den Weg stellt, hat keine Chance. Solveig, Anne Marit, Turid und Marianne haben den Kampf aufgenommen gegen schicke Langeweile und fades Chill-out, gegen das Schönheitsideal von Hochglanzmagazinen, das Kastendenken der Rockmusik und den Dilettantismus des Pop, vor allem aber gegen die Klischees von Sanftmut, Eleganz und Ewig-Weiblichem. Seit sie vor gut zwei Jahren ein paar Clubs in Oslo unsicher gemacht haben und David Byrne sie auf einem Festival vorgestellt hat, gelten sie als die Entdeckung Skandinaviens, und wer sie jetzt nicht auf ihrer jüngsten Deutschlandtournee bei ihrem Auftritt im Aschaffenburger Colos-Saal erlebt hat, hat wahrlich eine große Party verpasst.
Mehr noch: Er hat eine musikalische Sternstunde versäumt. Denn den Erfolg des Damenquartetts garantieren weder die skurrile Bühnenshow noch das Sammelsurium aus mehr als zwanzig Instrumenten, das ständig die Spielerinnen wechselt. Und auch nicht die abenteuerliche Mixtur aus Balkanjazz, Bluegrass-Punk und Vaudeville-Chanson-Zigeuner-Pop. Das Erstaunliche an den vier Mädels ist ihre schier unglaubliche, weil ungezähmte Musikalität. Wenn es stimmt, dass sie die vielen Instrumente und ihren astrein vierstimmigen A-cappella-Gesang autodidaktisch erlernt haben, dann sollte man ihnen raten, niemals ein Konservatorium aufzusuchen, um sich professionell zu verbessern. Aretha Franklin müsste blass werden, wenn Marianne Sveen eine Soul-Kadenz anstimmt, als habe sie von Kindesbeinen im Gottesdienst einer Baptistenkirche irgendwo in Alabama mitgesungen. Solveig I-Ieilo bläst auf der Trompete, als müsse sie eine nach einem Gewaltmarsch in Tiefschlaf verfallene Kompanie aufwecken. Turid Jørgensen würde in jedem Balalaika-Ensemble als Bassistin aufgenommen werden, und Anne Marit Bergheim könnte jeden Sänger in den Kneipen am Montmartre stilecht mit Musette-Walzern auf dem Akkordeon versorgen.
Katzenjammer ist ein musikalischer Tornado an Lebensfreude und kraftstrotzendem Entertainment. Und selbst die Restbestände eines sympathischen Dilettantismus werden von dem grandios unkonventionellen Quartett als Teil einer quicklebendig unbekümmerten Bühnenshow serviert. Ihren großen I-Iit „A Bar in Amsterdam" sollte man nicht im Plattenregal aufbewahren, sondern im Medizinschrank - für alle Notfälle der Seele und für tatsächlichen Katzenjammer. Übrigens: Die Kompositionen und die Texte der Songs stammen von Mats Rybø. Macht nichts. Katzenjammer kann einen Mann verkraften.
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